Herzlich Willkommen und ein freudiges Hallo alle miteinander!
Unfassbar, wie viel wieder in einer einzigen Woche passieren kann. Kurz resümiert: Wir leben nicht mehr auf dem orchard. Wir haben eine neue Bleibe. Wir haben's voll drauf!
Folgendes ist passiert:
Zuallererst hat Änni uns am Samstag morgen verlassen. Ihr gefiel die Arbeit überhaupt nicht (das Problem kennen wir) und sie hat sich sogleich einen neuen auf der Südinsel besorgt, der weniger anstrengend ist. Eine weise Entscheidung. Wir vermissen sie schon ein wenig, da wir in der einen Woche viel Spaß hatten, aber ein Date in Deutschland steht schon. Nachdem wir ihrem Bus mit einem weißen Taschentuch hinterher gewunken haben, sind wir groß auf Unterkunfts-Suche gegangen und haben sämtliche Notice-Boards in Supermärkten und das Internet abgeklappert. Da haben wir uns ein paar Nummern notiert, die wir nacheinander abtelefoniert haben. Einige Zimmer konnten wir uns dann direkt ansehen. Als erstes sind wir nach Flaxmere gefahren, das ist ein Stadtteil von Hastings. Auf dem Weg dorthin sahen wir ein paar kleine Maori-Gangster an der Straße entlangspazieren, alles in allem machte Flaxmere aber einen netten und ruhigen Eindruck und ich dachte bei mir, dass man hier auch super joggen gehen kann. Beim Haus 20 Scott Drive angekommen wurden wir schon erwartet. John, 23, wohnt dort alleine und hatte drei Zimmer frei (drei, weil wir im Moment mit Christl zusammen wohnen), da seine Eltern und Schwester gerade ausgezogen sind. John ist eher so der Typ shy guy und Kellerkind. Er stellte uns eigentlich keine Fragen, antwortete aber immer nett auf unsere - er schien etwas mit der Situation überfordert zu sein, dass bald drei Mädels mit ihm im Haus wohnen sollten. Die Zimmer waren alle total schön, teilweise sogar mit Kleiderschrank, sonst unmöbiliert, und auch sonst machte alles einen sehr ordentlichen Eindruck. Es gibt zusammenpassendes Geschirr und Besteck, einen Messerblock und sogar einen Duschkopf zum in die Hand nehmen. Es sind nach einem halben Jahr Reise die einfachen Sachen, die uns glücklich machen. Das Dreifach-Haustürschloss und die Gitter vor den Fenstern ließen das Haus auch recht sicher erscheinen, komisch kam uns das bis dahin noch nicht vor. Mittlerweile ist uns aber einiges klar geworden! Das sollten wir aber erst am Montag bei der Arbeit erfahren. Wir wohnen mittlerweile mit John zusammen, er hat uns ein wenig zappeln lassen, doch uns dann sein Ok für den Einzug am Sonntag abend gegeben.
Wir haben an dem Samstag allerdings noch andere lustige Sachen erlebt, die nicht unerwähnt bleiben sollen. Nachdem wir die erste Bude gesehen hatten, sind wir weiter ins Stadtzentrum gefahren und haben dort das nächste Zimmer angeschaut. Dort hätten wir uns zu dritt ein Zimmer teilen müssen, eigentlich eher eine umgebaute Garage einer asiatischen Familie. Die wollten aber jemanden haben, der länger als einen Monat bleibt. Also sind wir weiter zur dritten Unterkunft, wir waren aber schon davon überzeugt, dass wir bei John wohnen wollen und fr

agten per SMS an, ob wir am Sonntag einziehen könnten. Wir sind dann nach Clive gefahren, ca. 10 Minuten von Hastings entfernt, und haben uns dort einen Caravan auf einem Privatgrundstück von einer sehr netten Frau angeguckt. Als wir ihr von unserem Jobproblem erzählten, hatte sie die Idee, spontan mit uns alle Weingüter in der Gegend abzufahren und nach Arbeit zu fragen. Kaum hatte sie das ausgesprochen, bekamen wir eine Antwort von John, dass wir die Zimmer bekommen. Wir wollten das der Frau allerdings nicht gleich sagen, sie schien sehr von ihrem Einfall überzeugt und war kaum zu stoppen. Eine andere Jobalternative, falls unser jetziger Job nicht gut ist, konnte ja auch nicht schaden. Wir sind ihr also einfach mal hinterhergefahren, sie hielt dann irgendwann am Straßenrand an und meinte, hier könne man mal fragen. Die Leute dort kannte sie nicht, aber es gab dort Weinreben. Das erschien ihr Argument genug zu sein. Die Bewohner wussten dann allerdings nichts und schickten uns weiter über die Straße zu einem anderen Haus. Dort haben wir dann mal eben eine Kinder-Geburtstagsparty bei wildfremden Leuten gesprengt. Ging im Pool im Garten gut ab, die Frau dort war sehr nett, obwohl sie niemanden von uns kannte. Sie hat uns dann die Nummer von ihrem Mann gegeben, der könne irgendwie mit Jobs weiterhelfen. Naja, da wir unserer Über-Mutti nicht ihre kostbare Zeit weiter stehlen wollten - von ihr aus hätten wir den ganzen Nachmittag noch durch die Gegend fahren können -, haben wir angedeutet, dass es jetzt reicht und wir ihr Bescheid geben werden, ob wir dort wohnen wollen oder nicht. Aber da wir schon Johns Zusage hatten, war klar, wie die Antwort ausschaut. Davon wusste sie halt nur noch nichts. Das war auf jeden Fall ein Tag voller Erlebnisse. Danach sind wir noch in der Nähe zu Packhäusern gefahren, um uns für Jobs zu bewerben. Fließbandarbeit auf Stundenbasis können wir uns gut vorstellen, wir stehen im Moment auf der Warteliste, weil alle voll sind.
Das war dann also unser Samstag: sehr ermuedend! Abends wurde sich noch mit der arbeitenden orchard-Bevölkerung beim Roosters getroffen, wo Phil mal wieder keine Kosten scheute und fleißig Bier ausgab. Das war sehr nett dort, fast wie damals, nur dass wir schon offiziell nicht mehr bei Willowford arbeiteten. Clara ist danach nach Napier gefahren, ich bin mit Sofi später noch ins Kino gegangen. In Napier ging das Wochenende gut was ab! Es war nämlich Art Deco Festival. Am Samstag abend waren die Straßen schon gut voll an Menschen, die sich alle im Stil der 30er verkleidet haben. Oldtimer gab es auch einige zu sehen. Am Sonntag sind Clara und ich dann noch einmal nach Napier gefahren und haben das bunte Treiben dort beobachtet. Im Park wurden Zelte und Tische aufgebaut, wo die Leute riesige Tafeln mit Essen und ihrem guten Porzellan aufbauten. War lustig anzusehen, wir haben uns aber dann doch lieber beim Hafen in die Sonne gelegt und das gute Wetter genossen. Abends haben wir dann unsere sieben Sachen im Caravan zusammengepackt und sind umgezogen. Christl ist an dem Abend dann zu uns gestoßen, die kam alleine von der Südinsel, weil Susi schon abgereist ist. Und jetzt wohnen wir hier alle schön zusammen, jeder hat sein eigenes Zimmer und wir sind einfach nur froh darüber, so viel Glück bei der Wohnungssuche gehabt zu haben. :-) Mit John verstehen wir uns auch super, der ist immer freundlich und hilfsbereit. Clara und ich haben uns anfangs eine Isomatte gekauft, da wir ja kein richtiges Bett haben. Nach der ersten Nacht haben wir aber beide gemerkt, dass das nicht der gemütlichste Schlafplatz ist, und uns am nächsten Tag im Warehouse jeder für günstig eine Queensize-Luftmatratze gekauft. Auf der schlafen wir jetzt super!

Kommen wir mal zur Arbeit. Wir haben ja wie bereits angedeutet einen neuen Job. Jason, unser contractor, hat uns Arbeit auf einem vineyard vermittelt. Am Montag morgen wurde sich beim Roosters getroffen und alle Arbeitswilligen auf irgendwelche Jobs verteilt. Wir wurden einem Weingut nicht weit von hier zugeteilt, wo wir 'net clipping' betreiben. Unsere Arbeit besteht darin, in den unheimlich langen Reihen an Weinreben entlangzugehen und Netze um die Weintrauben zu spannen. Mit Clips. Das ist alles, man muss nur eine kleine Bauchtasche für die Clips tragen, keinen schweren Beutel, keine Leiter hochsteigen, nada. Gefällt uns dementsprechend sehr gut. Am ersten Tag war alles noch neu und aufregend. Mittlerweile wird uns ziemlich langweilig bei der Arbeit. Wir haben die ganze Woche 9 Stunden gearbeitet, von 7 - 16:30 Uhr. Großartig am neuen Job ist auch, dass niemand da ist, der die Arbeit kontrolliert und wie lange wir Pause machen. Am Freitag haben wir die gute 15 Minuten Smoko-Pause tatsächlich auf 50 Minuten hochgezogen. Telefonieren kann man auch super während man arbeitet. Stört ja niemanden. 'Ich packe meinen Koffer', 'Ich denke mir ein Wort mit vier Buchstaben' und 'Ich sehe was, was du nicht siehst' haben wir auch schon gespielt, wobei letzteres wirklich hart ist und das Gehirn zu sehr fordert. Unsere Arbeitskollegen sind auch alle sehr entspannt. An unserem ersten Tag wurde uns die Arbeit von zwei Südamerikanern erklärt, die haben gar keine Eile bei der Arbeit gehabt. Endlich sind wir mal nicht die einzigen, die gerne alles in Ruhe erledigen. :-) Die sind nun allerdings nicht mehr da, konstant am Arbeiten sind hingegen vier Afrikaner. Es sind immer vier, die schauen nur irgendwie immer mal anders aus, auf jeden Fall immer vier. Nunja, da Clara und ich zusammenarbeiten, hatte Christl schon das Vergnügen mit einigen der Afrikaner zusammenzuarbeiten. Da wurde sie direkt auch mal schwer angegraben. Denen ist wohl auch langweilig. Mit dem nettesten von denen hatte sie dann auch ein ausführliches Gespräch und es kam heraus, dass die aus Somalia kommen und vor dem Krieg geflohen sind und hier ihre Freiheit genießen. So sieht's aus, wir arbeiten mit Kriegsflüchtlingen aus Somalia zusammen. Aber der Knaller kommt noch. Als Clara und ich am Freitag locker unser Netz festclippten, sprach uns der eine Typ auch an. Nachdem wir uns vorgestellt hatten, sagte er dann: 'You look like the German Prime Minister'. Nach anfänglicher Verwirrung, wen er meinte, stellte sich heraus, dass er meint, dass ich wie Angela Merkel aussehe. Ich = Ina, falls jemand nicht aufgepasst hat. Da die Ähnlichkeit total verblüffend ist, bin ich erstaunt, dass mir vorher noch niemand so ein Kompliment gemacht hat. Clara und ich bekamen uns vor Lachen nicht mehr ein. Aber es ist schon erstaunlich, dass er wusste, dass es eine weibliche German Prime Minister gibt. Immerhin.
Die Afrikaner haben uns dann auch über Flaxmere aufgeklärt, die schlimme Ecke. Als wir erzählten, dass wir in dort wohnen, da meinten sie blabla Maori-Gang blabla. Wir nach dem Motto 'nee nee, is schön da' uns gar nichts bei gedacht. Als uns aus anderer Quelle dann zugetragen wurde, dass in Flaxmere das Hauptquartier einer der größten Maori-Gangs Neuseelands ist, wurde uns so einiges klar. Beispielsweise die vielen Türschlösser... Aber keine Panik, macht eigentlich alles einen guten Eindruck hier. :-) Christl und ich gehen zwar nur im Hellen joggen, aber sonst müssen keine großen Vorkehrungen getroffen werden. Haha, aber schon ne gute Story. Achja, als wir am Freitag von der Arbeit kamen und in unsere Strasse einbogen, stand dort tatsächlich ein Polizist auf der Strasse und hat alle Autos rausgewunken. Wir mussten immerhin nicht an den Strassenrand fahren, aber Führerschein zeigen. Zum internationalen meinte er nur 'good picture of you' und sah sich gleich noch den EU-Lappen an und fragte, wie man denn meinen Namen ausspreche. Und zack durften wir weiterfahren. Wir spekulieren, dass irgendwo was geklaut worden ist oder sowas. Oder bei so einem üblen Pflaster wie Flaxmere muss halt immer mal die Polizei zeigen, wer das sagen hat.

Naja, das sind so unsere Highlights aus der Woche. Die Arbeit ist sinnfrei und wir geben unser bestes, so wenig wie möglich mit so viel Spass wie möglich zu clippen.
By the way, gestern haben wir uns eine extrem schlaue Aktion geliefert, ein weiterer Kandidat für die dümmste Aktion des Jahres 2009. Es regnete ab morgens um kurz vor 6 Uhr beim ersten Wecker-Klingeln durchgehend, weswegen wir beschlossen, erst einmal noch ne Runde zu pennen und um 8 Uhr weiterzusehen. Da schüttete es allerdings immer noch, also weiter bis 10 Uhr geschlafen. Bis dahin hatte der Regen tatsächlich aufgehört und wir wollten unser Glück auf dem vineyard probieren. Bis wir gefrühstückt hatten, hatte es allerdings schon wieder angefangen zu regnen. Das hat uns aber nicht davon abhalten können zur Arbeit zu fahren. Dort angekommen war jedoch schnell klar, dass das die falsche Entscheidung war. Schon nach 5 Minuten waren wir klitschnass, da es sich richtig eingeregnet hatte und wie aus Eimern schüttete. Nachdem wir uns eine Stunde lang selbst an den Kopf geschlagen und uns ausgelacht haben, sind wir dann wieder nach Hause gefahren und haben heiß geduscht. Total unnötig, aber immerhin haben wir uns das Käffchen beim McCafé hinterher verdient gehabt. Dort haben wir uns mit Sofi und Rashid getroffen. Die und Petr haben uns übrigens auch schon fleißig in unserem neuen Heim besucht. Wir können einfach nicht mehr ohne einander. Es ist ein fröhliches Beisammensein im Moment hier und wir können uns nicht beklagen: Das Glück war mal wieder auf unserer Seite.
Wir lange wir noch clippen können, wissen wir nicht genau. Im Moment sind noch viele Reihen da, doch die Arbeit wird wie gesagt nicht spannender. Man muss sogar so wenig nachdenken, dass Clara und ich immer kurz überlegen müssen, wer vor dem letzten Pfeiler oben und wer unten geclippt hat. Da geht die Erinnerung ganz schnell flöten. Die Trauben schmecken übrigens ganz vorzüglich, welcher Wein dabei rauskommen soll, ist uns noch nicht klar. Ob das so gut war immer welche zu Essen, ist im Moment fraglich, da unser Silberschmuck dort angelaufen ist. Wer weiß, was da so gesprüht wird. Leben tun wir allerdings noch. Ganz nach dem Motto: Alles für die Traube, alles für den Wein!
Das sind die Neuigkeiten für den Moment. Falls sich was in der Weinrepublik tut, werden wir es euch natürlich nicht vorenthalten.
Da ich als German Prime Minister look-alike im Moment wichtige Entscheidungen treffen kann, erkläre ich noch mal schnell zum Abschluss den 2. Mai und den 1. Juni zu deutschen Nationalfeiertagen, denn dann kommen Clara und ich wieder. Clara wird am 12. April Neuseeland verlassen und Australien und Thailand unsicher machen, bis sie am 2. Juni wieder deutschen Boden unter den Füßen haben wird. Mein Flug geht am 13. April und führt mich nach Fiji, wo ich mich vor meiner Ankunft am 2. Mai noch von der strapaziösen Arbeit hier erholen werde. Also, Kalender und Marker raus:
2. Mai: Inas Rückkehr!!
1. Juni: Claras Rückkehr!!
Bis dahin, bleibt sauber!
Eure Angela
PS: Hamburg Süd-Container wurde schon beim Packhouse in der Ausgabe steckend gesichtet. Spricht viel dafür, dass es bald Apfelnachschub in Deutschland gibt.
PPS: Zur Info, was in unserer Hood so abgeht, hat Clara einen kleinen Link gefunden: http://en.wikipedia.org/wiki/Mongrel_Mob
Ich sag nur German Stahlhelm...